
Neuausrichtung nach juristischem Erfolg
Nach dem Ende eines langwierigen Rechtsstreits mit der US-Börsenaufsicht SEC präsentiert sich Ripple Labs in neuer Stärke. CEO Brad Garlinghouse scheint entschlossen, das Unternehmen auf eine neue Stufe zu heben. Am 2. Juli kündigte Ripple an, eine bundesweite Banklizenz beim Office of the Comptroller of the Currency (OCC) zu beantragen. Sollte der Antrag genehmigt werden, wäre Ripple erst das zweite Krypto-Unternehmen nach Anchorage Digital mit einer solchen Lizenz.
Parallel dazu strebt Ripples regulierter Verwahrpartner in New York, die Standard Custody and Trust Company, den Zugang zu einem sogenannten „Fed Master Account“ an. Damit könnte sie Einlagen zur Deckung des firmeneigenen Stablecoins RLUSD im Wert von derzeit rund 469 Millionen US-Dollar direkt bei der US-Notenbank halten.
Vertrauen durch Regulierung
Garlinghouse betonte auf X (ehemals Twitter): „Ganz im Sinne unserer Compliance-Tradition beantragen wir bei der OCC eine nationale Banklizenz. Mit zusätzlicher staatlicher Aufsicht durch die NYDFS würden wir ein neues, einmaliges Vertrauensniveau im Stablecoin-Markt setzen.“
Tatsächlich arbeitet Ripple intensiv am Aufbau der RLUSD-Infrastruktur. Das Unternehmen hat Partnerschaften mit der Schweizer AMINA Bank sowie dem Londoner Fintech OpenPayd geschlossen, um ein internationales Zahlungsnetzwerk auf Basis seines Stablecoins aufzubauen.
XRP: Zwischen Boom und Stagnation
Während Ripple mit regulatorischer Klarheit für RLUSD voranschreitet, bleibt die Zukunft des hauseigenen Tokens XRP ungewiss. Seit dem 1. November hat XRP zwar um 347 % zugelegt, doch der Kurs verharrt seit Monaten auf einem relativ konstanten Niveau. Gleichzeitig kursieren Spekulationen über einen möglichen ersten Spot-ETF für XRP in den USA noch in diesem Jahr.
Ein zentrales Problem: Ripple scheint sich strategisch stärker auf den Stablecoin-Markt zu konzentrieren. Sollte RLUSD weiter wachsen, könnte dies die ohnehin begrenzte Nachfrage nach XRP kannibalisieren – ein Risiko, das viele Marktbeobachter beschäftigt.
Neue Konkurrenz für traditionelle Banken
Ripple ist nicht allein mit dem Wunsch nach einer Banklizenz. Auch Circle, der Herausgeber des Stablecoins USDC, hat einen Antrag auf eine nationale Trust-Bank-Lizenz gestellt. Diese Lizenzen würden beide Unternehmen unter die Aufsicht des OCC stellen – mit ähnlichen Kapital- und Liquiditätsanforderungen wie bei klassischen Banken. Sie erlauben zudem einen direkteren Zugang zum US-Finanzsystem.
Chris Colson, Zahlungsexperte der Federal Reserve in Atlanta, betonte auf LinkedIn: „Eine Trust-Lizenz könnte das Vertrauen in USDC und RLUSD stärken und deren institutionelle sowie internationale Verbreitung fördern.“
Zwar dürfen nationale Trust-Banken keine klassischen Einlagen annehmen oder Kredite vergeben, doch sie können als regulierte Verwahrer agieren und Stablecoin-Reserven direkt verwalten. Auch der Zugang zu den Echtzeit-Zahlungssystemen der Fed wäre damit möglich.
Traditionelle Finanzwelt unter Druck
Die etablierten Banken sehen sich mit einer neuen Konkurrenz konfrontiert. Colson kommentierte: „Circle und Ripple verwischen die Grenzen zwischen Fintech und traditionellem Bankwesen. Sie bieten programmierbares, blockchainbasiertes Geld unter ähnlicher Regulierung.“
Das OCC war in der Vergangenheit gegenüber Krypto eher zurückhaltend – unter anderem wurde Krakens Lizenzantrag 2023 abgelehnt. Doch unter der neuen Leitung von Trump-nominiertem Aufseher Rodney Hood scheint ein Umdenken stattzufinden. Bereits kurz nach seinem Amtsantritt bekräftigte Hood, dass bestimmte Krypto-Aktivitäten im Rahmen des Bundesbanksystems erlaubt sind.
Banklizenz als strategischer Meilenstein
Für Chris Perkins, Präsident des Krypto-Investors CoinFund, ist die Banklizenz ein entscheidender Baustein für die rechtskonforme Stablecoin-Emission im Rahmen des geplanten „Genius Acts“. Besonders Ripple sieht er dabei als Vorreiter: „Es ist beeindruckend, wie Ripple systematisch Lizenzen erwirbt. Sie sind eine ernstzunehmende Größe.“
Fazit: Ripple am Wendepunkt
Ripple steht an einem strategischen Scheideweg: Mit dem Fokus auf RLUSD könnte das Unternehmen regulatorische Sicherheit und institutionelle Anerkennung gewinnen. Doch damit wächst auch der Druck auf XRP, endlich den lange erhofften Preisdurchbruch zu schaffen. Ohne neue Impulse droht dem Token, trotz rechtlichem Rückenwind, der Anschluss zu verlieren.