Die geplante Allianz zwischen dem Chipgiganten Nvidia und OpenAI, der Muttergesellschaft von ChatGPT, ist weiterhin nicht vertraglich besiegelt. Colette Kress, die Finanzchefin von Nvidia, dämpfte am Dienstag auf der UBS Global Technology and AI Conference in Arizona die Erwartungen an einen schnellen Abschluss der Investition, deren Volumen sich auf bis zu 100 Milliarden US-Dollar belaufen könnte. „Wir haben noch keine endgültige Vereinbarung getroffen, arbeiten aber mit ihnen zusammen“, erklärte Kress auf Fragen zum aktuellen Stand der Verhandlungen.
Bereits im September hatte das wertvollste Unternehmen der Welt eine Absichtserklärung präsentiert. Diese sieht vor, Nvidia-Systeme mit einer Leistung von mindestens 10 Gigawatt für das Startup bereitzustellen – eine Kapazität, die theoretisch ausreichen würde, um mehr als acht Millionen US-Haushalte mit Strom zu versorgen. Die Hängepartie um die Finalisierung befeuert nun erneut Diskussionen über die enge Verflechtung der wichtigsten Akteure im Wettlauf um künstliche Intelligenz. Kritiker warnen zunehmend vor sogenannten „Ringgeschäften“ im KI-Ökosystem, bei denen Tech-Giganten in Startups investieren, die diese Gelder wiederum nutzen, um Chips der Investoren zu kaufen.
Volle Auftragsbücher und verstecktes Potenzial
Trotz der offenen Fragen zur OpenAI-Partnerschaft präsentierte sich Nvidia finanziell in einer Position der Stärke. CEO Jensen Huang verwies kürzlich auf einen Auftragsbestand von 500 Milliarden US-Dollar für fortschrittliche Chips bis zum Jahr 2026. Kress präzisierte in Arizona jedoch ein entscheidendes Detail: Die Hardware, die Nvidia im Rahmen des geplanten OpenAI-Deals liefern könnte, ist in dieser Summe noch gar nicht enthalten. „Diese halbe Billion beinhaltet keine der Arbeiten, die wir derzeit für den nächsten Teil der Vereinbarung mit OpenAI durchführen“, betonte die Finanzchefin. Auch die geplante Investition von bis zu 10 Milliarden US-Dollar in den OpenAI-Konkurrenten Anthropic würde das Auftragsvolumen zusätzlich erhöhen.
OpenAI bleibt, neben den großen Cloud-Anbietern, einer der wichtigsten Abnehmer für Nvidias Hochleistungschips, die den aktuellen Boom der generativen KI erst ermöglicht haben. Die Nachfrage nach den Produkten ist ungebrochen: Jensen Huang bezeichnete das Interesse am neuen „Blackwell“-Chip als „sehr stark“ und forderte Berichten zufolge bei Taiwan Semiconductor (TSMC) bereits eine Erhöhung der Wafer-Produktion an. Auch für die nächste Chip-Generation, Rubin, werden bereits Kapazitäten gesichert.
Solide Quartalszahlen trotz prominenter Aussteiger
An der Wall Street wird die Aktie weiterhin genau beobachtet. Nvidia übertraf im dritten Quartal erneut die Erwartungen: Der Gewinn lag bei 1,30 US-Dollar pro Aktie bei einem Umsatz von 57 Milliarden US-Dollar – Analysten hatten lediglich mit 55 Milliarden US-Dollar gerechnet. Auch der Ausblick auf das laufende Quartal, mit einer Umsatzprognose von 65 Milliarden US-Dollar, sprengte die Schätzungen. Nach Bekanntgabe der Zahlen hoben Analysten ihre Kursziele an, wobei der durchschnittliche Zielpreis laut FactSet von 234 auf 250 US-Dollar stieg.
Dennoch gab es im Vorfeld der Quartalszahlen bemerkenswerte Bewegungen auf der Verkäuferseite. Der Hedgefonds von Peter Thiel, Thiel Macro, löste seine gesamte Position von über 537.000 Aktien im Wert von rund 85 Millionen US-Dollar auf. Auch der japanische Tech-Investor SoftBank veräußerte im Oktober seine Anteile an Nvidia für 5,8 Milliarden US-Dollar, um Berichten zufolge mehr Kapital direkt in OpenAI zu lenken. Ungeachtet dessen kletterte die Nvidia-Aktie zu Wochenbeginn erneut und näherte sich kritischen Marken, nachdem das Unternehmen als erster Konzern kurzzeitig eine Marktkapitalisierung von 5 Billionen US-Dollar erreicht hatte.
Strategische Expansion und geopolitische Hürden
Nvidia ruht sich nicht auf dem Hardware-Geschäft aus, sondern weitet seinen Einfluss durch strategische Investitionen aus. Kürzlich beteiligte sich der Konzern mit 2 Milliarden US-Dollar an Synopsys, einem Spezialisten für Chip-Design-Automatisierung. Die Partnerschaft zielt darauf ab, Nvidias KI-Technologie mit den Ingenieurslösungen von Synopsys zu verknüpfen, um die Entwicklung intelligenter Produkte zu beschleunigen. Auch im Nahen Osten fasst Nvidia Fuß: Das saudische KI-Unternehmen Humain kündigte eine Kooperation mit Elon Musks Startup xAI an, bei der ein 500-Megawatt-Rechenzentrum mit Nvidia-Chips für die „Grok“-Modelle entstehen soll.
Sorgen bereitet hingegen der chinesische Markt. Während die Verkäufe der Hopper-Chips in China im dritten Quartal gegen Null tendierten, wächst der Druck durch lokale Konkurrenz. Das chinesische Unternehmen DeepSeek sorgte im Januar für Aufsehen, als es ein Open-Source-KI-Modell vorstellte, das günstiger operiert als vergleichbare Modelle von OpenAI. Jensen Huang hatte zuvor betont, dass Nvidia rund 50 Milliarden US-Dollar an Chipverkäufen in China benötige, um die Forschung und Entwicklung in den USA zu finanzieren.
Hoffnung auf eine Lockerung der Exportbeschränkungen keimte zuletzt durch Aussagen von Howard Lutnick auf. Der US-Handelsminister deutete in einem Interview an, dass der designierte Präsident Donald Trump erwägen könnte, den Verkauf der H200-Chips nach China unter Auflagen zu gestatten. Obwohl das Thema bei einem Treffen zwischen Trump und Xi Jinping im Oktober nicht offiziell auf der Agenda stand, signalisierte Trump Berichten zufolge Bereitschaft, Peking direkt mit Nvidia verhandeln zu lassen – mit den USA in der Rolle des Schiedsrichters.